Warum ich mit Zen meine Schwierigkeiten habe

Zen gilt als ein Kombination von Taoismus und Buddhismus.

Und ist stark japanisch geprägt. Die japanische Kultur ist mir aber extrem, ich möchte sagen wesensfremd.

Ich habe eine Abneigung gegen das nützlich und das ist es was die japanische Kultur in vielen Fällen aus den Ideen und Lehren z.B. des Taoismus gemacht hat. Ein Werkzeug.

Das Tun wird nicht zu einem Fluss, zu einer freien Bewegung, sondern erstarrt oft in einer Attitüde.

Doch findet gerade die Musik von John Cage in diesem Spannungsfeld statt, aber ich glaube das ihm die freie Bewegung wie sie mir vorschwebt genauso kritisch gesehen hat wie die Attitüde. Um seine Musik spielen zu können muss man sie spielen können, das setzt eine lange Zeit der Übung voraus, führt aber auch zu einer Erstarrung, die den Könner über den Nicht-Könner erhebt. Das starre Kyu und Dan System z.B. im Budo (oder bei Go) kann zu Selbstüberhebung führen, der Meister blickt auf den Schüler herab.

Das erinnert mich sehr stark an meine Leidensgeschichte als Legastheniker. Die Dudenkönner konnten jede meiner Äusserungen „zerlegen“ ohne einen Funken davon verstanden zu haben. Dies fördert nicht unbedingt die freie Entfaltung der eigenen Meinung.

Cage wollte eine herrschaftsfreie Musik und dennoch sind seine Noten schwer zu spielen, sie üben also Herrschaft über die Zeit des Interpreten aus. Viele seiner Werke umgehen dieses Problem scheinbar in dem der Musiker selber entscheidet was klingen soll (z.B. Variations), dabei will er aber nicht „das andere Extrem“, die Attitüde des Jazzmusikers, der seine Spontankomposition (als leidenschaftlicher Ausdruck) über Alles stellt und auch da wieder „seiner Meisterschaft“ fröhnen möchte.

Mich interessiert tatsächlich das Dazwischen. Aber das kann nur heißen zwischen Herrschaft (z.B. der Musiktheorie, der Spielprazis und der Übung) und herrschaftsfreien Raum (z.B. im frei improvisierten, sie ich es im Free-Jazz-Workshop mit Jim Drovak erleben konnte, man hatte das Gefühl, die Komposition entsteht gemeinsam … oder eben in der Zufallsmusik der Fall sein könnte)

Da jedem Musikanfänger (oder auch -profi) die herrschaftliche Seite genügend bekannt sein dürfte, doch noch ein paar Worte zu den beiden anderen Möglichkeiten (die mir bekannt sind).

Freie Improvisation (wie ich sie hier meine) entsteht, wenn eine Gruppe durch Übungen einen gemeinsamen Geist entwickelt. Dann können einfache Spielregeln dazu führen, dass ganze Kompositionen „aus dem Nichts“ entstehen. Bei dem Workshop mit Jim Dvorak war es am Schluss so, das wir nur noch das Startsignal vom Workshopleiter bekamen. Und dann passierte das für mich unglaubliche, ich habe den Einsatz eines jeden von uns genau gespürt, kurz bevor der Musiker wirklich zu spielen begann. Also kurz nach dem Startsignal hörte ich eine Basslinie und in dem Moment begann der Bass zu spielen und er begann dabei sogar noch genau mit dem Ton, den ich gehört hatte. Nun dachte müsste das Schlagzeug einsetzen mit einem schnellen Beckengrove und schon war er da … das Gefühl das dabei entstand war unglaublich und ich habe es seither leider nur selten wieder erlebt …

Zufallsmusik, hat so seine eigene Schwierigkeit. Denn entweder kann ich sie algorithmisch erzeugen, dann spielt eine Maschine (und manche fragen dann gleich ob es sich wirklich um Musik im eigentlichen Sinne handelt) oder ich benötige einen Interpreten, der Zufallsimpulse in regelmäßige Musik verwandeln kann (also wieder jemand der gut Notenlesen kann und sein Instrument beherrscht). Cage experimentierte wahrscheinlich auch deshalb mit Radios, da hier eine einfache regelmäßige Tat (das Einschalten und das Drehen am Senderknopf) ein komplexes Geräusch auslösen kann. Allerdings bleibt dabei die Frage, ob es sich nicht genau genommen auch wieder nur um eine algorithmische Musik handelt (vergleiche Vilém Flusser: Der Apparat als ein das Denken simulierendes Spielzeug, das alle möglichen Ergebnisse (Bilder beim Fotoapparat) schon enthält und deshalb keine echten Neuschöpfungendurch den Apparatebenutzers zulässt. Also in etwa alles Klischees, alles schonmal gesagt nur noch nicht von Jedem)

So wie der Budokämpfer zum Apparat seiner Disziplin wird und der Musiker zum Werkzeug des Komponisten, in dem er genau so ausgebildet wurde, dass er die Vorschriften seiner Disziplin (Noten usw.) ideal umsetzen kann.

In der Zen-Malerei gibt es die Vorstellung, wenn ein Maler über seinem Bild verstirbt, muss ein Meister fallengelassenen Pinsel aufnehmen können und den Strich so weiter führen, das eine einheitliche Linie entsteht, bei der man nicht sagen kann wer die Linie wieweit gezogen hat. Der Schüler muss also zu einem Teil des Apparats werden und sich den unbedingten Erfordernissen der jeweiligen Disziplin unterwerfen. Das geht für mich bei manchen Budo-Dojos bis zum „Kadavergehorsam“ (und ich sehe das als japanische Tradition).

Dieses Spannungsfeld taucht meiner Meinung nach immer wieder auch in Cages Musik auf. Die eher japanischen Anweisungen, bis hin zu unspielbaren Partituren die den Musiker zur Auswahl zwingen sollen und zu viel Vorarbeit anhalten. Andererseits die Versuche den Anarchismus von Thoreau irgendwie in Musik zu verpacken.

Es ist ja schon schwer genug aus den Ideen von Thoreau allgemein gültige Regeln abzuleiten. Allgemein gültige Regeln im Anarchismus … eigentlich schon ein Widerspruch in sich und daraus nun auch noch Regeln für ein Herrschaftsfreies Musizieren abzu leiten dürfte vollends unmöglich sein.

Ich sehe es daher als wichtig an, das es gerade bei Cage keine allgemeinverbindliche Spielpraxis geben kann, die unterschiedlichen Interpretationen von 4’33“ z.B. bei dem Kölner Video Wettbewerb zeigt das ganz gut.

Ist es richtig, genau 4’33“ zu benötigen, ist es zulässig das Stück humoristisch aufzuführen, wie bei dem Schüler Video oder bei der Version von Helge Schneider und Harald Schmidt oder muss es stoisch virtuos auf geführt werden wie in der Version von Armin Fuchs (mit der schwebenden Hand; eine Version die momentan fast genau so viele youtube Aufrufe hat wie die Version von David Tudor, dem Pianisten der Erstaufführung)

Ist es richtig einen Dirigenten zu haben wie bei der Orchester Version, wäre eine Simultan Version oder ist dies eigentlich schon wieder herrschaftliches musizieren?

Warum ich mit Zen meine Schwierigkeiten habe?

Für mich ist der Zen (wie auch z.B. die Klassischer Musik oder Literaturtradition) ein Steinbruch an dem ich immer wieder arbeite, aber kein Wohnhaus das mich beherbergen kann. Aber er enthält mir zuviel Absicht zuviel Zielgerichtetheit. Ich sehe das Ziele manchmal wichtig und richtig sind, abe ich lehne ihren Absolutheitsanspruch ab.

Vielleicht habe ich den Zen auch nur noch nicht richtig verstanden, jedenfalls ist mir der Taosimus (nach Allen Watts) wesensverwandter, es fällt mir damit leichter eine „Meister-Attitüde“ und den erhobenen Zeigefinger der Kunfuzianer zu vermeiden.

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